Das
um 1430 entstandene private Andachts- und Gebetsbuch der Katharina von
Kleve ist eines der für den Betrachter spannendsten und künstlerisch
hochwertigsten Werkes der Buchmalerei des 15. Jahrhunderts. Hinter den
Buchdeckeln verbirgt sich auf 714 Pergamentseiten eine Bilderpracht, die
noch heute in ihrem Detailreichtum und ihrer Nähe zur Lebenswelt des
15. Jahrhunderts zu begeistern vermag.
Das Stundenbuch der Katharina von Kleve (um 1430)
Dieses
besonders pracht- und liebevoll gestaltete Stundenbuch, dessen
Entstehungsumstände im Hinblick auf den Auftraggeber unbekannt sind,
wurde wahrscheinlich für Katharina von Kleve (1417–1479)
geschaffen, die auch am Beginn des Buches in einer Miniatur dargestellt
ist (fol. 1 verso). Ihr Name steht in Verbindung mit dem mächtigen Geschlecht der Burgunderherzöge (mütterlicherseits durch ihren Großvater Johann Ohnefurcht)
und des niederrheinisch-westfälischen Herzogtums Kleve (durch ihren
Vater Herzog Adolf II. von Kleve). Durch ihre Heirat mit Arnold von
Egmond, dem Herzog von Geldern und Graf von Zutphen,
verlagerte sich ihr Wirkungsbereich in die Niederlande, einem der
Kunstzentren des frühen 15. Jahrhunderts.
Unbekannter Meister in Höchstform
Durch den Auftrag zum Stundenbuch legte sie als Kunstmäzenin den Grundstein für ein maßgebendes Werk der spätmittelalterlichen Buchmalerei in den Niederlanden. Der namentlich unbekannte „Meister des Stundenbuchs der Katharina von Kleve“ hat mit diesem seinem Hauptwerk nicht nur den Vorläufer für so wichtige Werke wie das berühmte Stundenbuch der Maria von Burgund
geschaffen, sondern auch Einflüsse der bedeutendsten Kunstströmungen
und Künstler seiner Zeit gekonnt zum Ausdruck gebracht und kommende Bildsujets wie die Genremalerei in Ansätzen vorweggenommen.
Die prächtige Ausstattung
Die Miniaturen des Stundenbuches der Katharina von Kleve zeichnen sich besonders durch überraschende Bilderfindungen aus, die die gängigen Darstellungen bekannter Szenen detailreich und spannungsvoll, oft auf eine raffinierte neue Art, präsentieren. So finden sich unter den 157 Miniaturen des Buches ganzseitige Szenen, die in ihrem Detailreichtum und ihrer künstlerischen Ausarbeitung den großen Tafelgemälden des 15. Jahrhunderts in nichts nachstehen, und daneben eine Vielzahl an halbseitigen Miniaturen und kleineren, liebevoll geschilderten Randszenen, die die reale Lebenswelt des Spätmittelalters
gekonnt mit den für ein Andachts- und Gebetsbuch üblichen
Heiligendarstellungen und biblischen Szenen verweben. Das alles ist
natürlich eingefasst von ornamentalen Schmuckrahmen,
die den außerordentlichen künstlerischen Wert der Buchmalerei des
„Meisters der Katharina von Kleve“ nur unterstreichen. Dem Betrachter
bietet sich noch heute wie vor fast 600 Jahren eine Bilderpracht und
Farbigkeit, die wohl jeden Kunstliebhaber in ihren Bann ziehen.
Wechselvolle Geschichte
Auch die wechselvolle Geschichte des Stundenbuchs unterstreicht dessen Bedeutung. So wurde es im späten 19. Jahrhundert getrennt in zwei gleich große Teile verkauft, die nach Stationen in bedeutenden Privatsammlungen 1963 und 1970 von der New Yorker Pierpont Morgan Library erworben - und so wieder zusammengeführt - werden konnten.