Die
Abtei Werden an der Ruhr war gegen 800 vom hl. Liudger gegründet
worden. Im 11. Jahrhundert erlebte sie eine Blütezeit und erwarb ein
Selbstbewusstsein, für das die Pracht des Werdener Psalters ein
faszinierendes Zeugnis ablegt: Er war nie für den liturgischen Gebrauch
bestimmt, sondern einer reichen und hochgestellten Persönlichkeit
zugedacht. Das Autorenbild zeigt David in seiner Doppelfunktion als
übermächtigen König Israels und als empfindsamen Verfasser der Psalmen.
Das Spiel mit reizvollen Gegensätzen durchzieht diesen Höhepunkt der
Buchmalerei des 11. Jahrhunderts. Würdevoller Ernst, den auch die
elegante, spätkarolingische Minuskel ausdrückt, steht in kreativer
Spannung zur phantasiebewegten Initialornamentik. Vor jedem der 150
Psalmen finden sich wunderbare Initialen und romanische Miniaturen
höchster Kunstfertigkeit. Damit ist dieser Prachtpsalter ein wichtiges
Bindeglied zwischen spätkarolingischem und romanischem Stil.
Romanische Miniaturen und Initialen in höchster Kunstfertigkeit
Der
Werdener Psalter gehört zu den bedeutenden und weithin berühmten
mittelalterlichen Prachthandschriften aus dem Besitz der
Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Aufgrund seiner
verschwenderischen Ausstattung wird er auch „Luxuspsalter“ genannt und
legt ein glanzvolles Zeugnis mittelalterlicher Buchkunst ab. Entstanden
ist der Codex in Werden, wo der hl. Liudger, Bischof von Münster, um 800
ein Kloster gegründet hatte. Diese Benediktinerabtei erlebte im 11. Jh.
eine Blütezeit, sodaß der Werdener Psalter als der künstlerische
Ausdruck eines selbstbewußten Klosters angesehen werden darf.
Die Handschrift enthält ein Psalterium in ungewöhnlicher Textgestalt.
Inhalt und künstlerischer Schmuck des Werdener Psalters sind von hohem
Rang und in allen Teilen bemerkenswert. Es sind sowohl die großartigen
Miniaturen, die immer wieder bewundert worden sind, als auch die
buchkünstlerisch überaus bedeutsamen Initialen, Zierseiten und Ziertitel
sowie die Schrift, die allesamt eine unvergleichliche Einheit bilden.
Ein Luxuspsalter von verschwenderischer Pracht
Eröffnet wird die Reihe der Psalmen mit dem Autorenbild, das den
biblischen König David in seinen beiden Funktionen, als Herrscher und
als Verfasser der Psalmen, darstellt (fol. 1v). Auf fol. 74r kehrt das
Davidthema mit der Tötung des Goliath und der Überbringung seines
Hauptes an König Saul in zwei weiteren Episoden wieder. Die dritte
ganzseitige Miniatur schließlich zeigt Christus als Sieger über den
Drachen und den Löwen (fol. 64r).
Mit ihrem streng formalen, symmetrischen Aufbau und der Ausgewogenheit
der Farbgebung strahlen die Titelbildillustrationen Ruhe und würdevollen
Ernst aus und treten so in einen reizvollen Gegensatz zur
phantasiebewegten Initialornamentik. Die jeweils unmittelbar auf die
Miniaturseiten folgenden Initialseiten leiten mit gold-silbernen
Rankeninitialen auf purpurfarbenem Hintergrund und mit gold- und
silberfarbenen Kapitalen den nächsten Psalm ein.
Zudem beginnen alle 150 Psalmen sowie die nachfolgenden Cantica mit
großen Initialen aus Gold- und Silberranken. Dazu kommen noch besonders
hervorstechende Zierzeilen auf Purpurhintergrund mit abwechselnd
goldenen und silbernen Majuskeln. Der Text ist absatzlos in einer
regelmäßigen, eleganten, spätkarolingischen Minuskel geschrieben.
Wirkungsvoll sind jedoch die Versanfänge hervorgehoben, die durch kleine
Purpurquadrate mit ebenfalls goldenen und silbernen Buchstaben in der
feierlichen Auszeichnungsschrift gekennzeichnet sind.
Die insgesamt 190 Rankeninitialen selbst bestehen teils aus geometrisch
geführten Bändern, häufiger jedoch aus Pflanzenteilen. Architekturen,
Drachen, Vögel, Hunde und auch Darstellungen von Menschen bereichern das
Rankenwerk der Zierbuchstaben und machen sie zu phantasievollen
Miniaturen. All dies verleiht dem Werk in seiner Gesamtheit den Eindruck
von kostbarer Pracht, wie wir sie nur von wenigen Handschriften kennen.
Text und Kalender
Der Werdener Psalter enthält den Text des Psalterium Romanum, einen
altlateinischen Text, der sich von der Vulgataversion nicht sehr stark
unterscheidet, weiters die zugehörigen altlateinischen Cantica und
einige Gebete. Ein umfangreicher Kalender sowie zwei Tafeln zur
Berechnung des Datums des Osterfestes und der dazu nötigen Monddaten
stehen am Ende der Handschrift.
Der Werdener Psalter ist zweifellos ein Luxuspsalter, der nicht für den
liturgischen Gebrauch, sondern für eine hochgestellte und reiche
Persönlichkeit hergestellt worden war. Dies legen sowohl der Text als
auch die kostbare Ausstattung nahe.
Der Einband
Die Handschrift wird von einem reich verzierten Ledereinband geschützt,
der nicht der ursprüngliche Einband ist, sondern aus der zweiten Hälfte
des 16. Jh.s stammt. Er wurde mit Rollenstempeln geschmückt, d. h.
Metallrollen, die zuvor heißgemacht wurden, wurden in das feuchte Leder
abgerollt. In einem Rahmen erkennen wir die beschrifteten Büsten der
Fortitudo („Tapferkeit“), Prudentia („Klugheit“) und Iusticia
(„Gerechtigkeit“) sowie als vierte nicht etwa die der Temperantia
(„Mäßigung“), wie man bei einer solchen Aufzählung der Tugenden erwarten
sollte, sondern der Lucrecia.