Das Glockendon-Gebetbuch
Nikolaus Glockendon war der letzte große Meister der handgemachten Buchkunst
in Deutschland. Seine illuminierten Manuskripte zählen zum
Hochwertigsten, was in der mittelalterlichen Buchmalerei Europas je
geschaffen wurde. Das Gebetbuch des unfassbar talentierten Meisters ist eine seiner exklusivsten Arbeiten
und sticht nicht nur durch seine edle Illustration, sondern ebenso
durch seinen historisch bedeutenden Hintergrund heraus. Das Werk wurde für den jungen Kirchenfürsten Albrecht von Brandenburg geschaffen und enthält Gebetstexte zu dessen privater Andacht. Es ist mit 43 zauberhaften, ganzseitigen Miniaturen und 62 reich verzierten Initialen geschmückt.
Das Ende einer Ära
Als
der Künstler Nikolaus Glockendon wirkte, war die handschriftliche
Buchkunst bereits zu größtem Teil vom Buchdruck verdrängt worden. Der
gebürtige Nürnberger war somit einer der letzten Illuminatoren, der seine Schriften und Bilder von Hand herstellte.
Gleichzeitig war er auch einer der begabtesten Künstler seines Fachs.
Er arbeitete für die wohlhabendsten Fürsten Deutschlands und stand in
der Gunst des wohl größten Künstlers aus Nürnberg, nämlich Albrecht Dürer.
Dürer war es auch, der Glockendon mit seinem späteren Auftraggeber
Albrecht von Brandenburg bekanntmachte. Neben dem Gebetbuch für Kardinal
Albrecht fertigte Glockendon Meisterwerke für Herzog Johann von Sachsen
oder Herzog Albrecht von Preußen an.
Deutscher Kirchenadel
Albrecht Kardinal von Brandenburg war bereits im Alter von 23 Jahren Erzbischof von Mainz und als solcher Metropolit der Kirchenprovinz Mainz, Landesherr des Erzstifts Mainz, Kurfürst und Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches und später Kardinal der Römischen Kirche. Als Förderer des Ablasshandels und ranghöchster geistlicher Würdenträger des römisch-deutschen Reiches
war er einer der wichtigsten und populärsten Gegenspieler Martin
Luthers. In einer Zeit, in der das politische Leben in Deutschland von
religiösen Umbrüchen geprägt war, betete und meditierte der streng
gläubige Katholik und Kunstliebhaber Albrecht häufig für sich allein. Zu
diesem Zweck beauftrage er Glockendon mit der Herstellung eines privaten Andachtsbuches, das dem hohen Rang des Kirchenfürsten würdig war.
Bezaubernder Bilderschmuck
Die
harmonischen, ganzseitigen Miniaturen des Gebetbuches zeigen Szenen aus
dem Leben Jesu Christi und verweisen immer wieder auch auf ihren
hochrangigen Auftraggeber. Ein Bildnis stellt das Wappen des Mainzer Erzbischofs in prachtvollen Farben dar. Die biblischen Szenen wurden von Glockendon in die mittelalterliche Welt überführt. Die Heilsgeschichte des neuen Testaments ist in den großformatigen Miniaturen abgebildet und wird von alttestamentlichen Szenen umrahmt, die in der eschatologischen Weltsicht des Mittelalters die Ereignisse des neuen Testaments vorausdeuteten. 62 prunkvolle Initialbuchstaben,
die von Glockendons nicht minder begabtem Mitarbeiter Georg Stierlein
angefertigt wurden, veredeln die sorgfältige Schrift des Gebetbuches.
Einen Höhepunkt der zauberhaften Illumination des Werkes stellt eine Druckgraphik Albrecht Dürers dar, welche der Handschrift im Jahr 1523 beigefügt wurde.
Das mittelalterliche Nürnberg - Eine Kunsthauptstadt
Nürnberg
befand sich zur Zeit Glockendons an der Schwelle zur Neuzeit. Es stand
im Zenit seiner Pracht und seines Reichtums. So wird verständlich, dass
die fränkische Metropole berühmte Söhne hervorbrachte, die den Ruf der
Stadt als Kunst- und Bücherzentrum begründeten. Zu nennen sind
Schongauer, Cranach und Albrecht Dürer. Dieser war es auch, der das
Genie Glockendons erkannte und ihn dem Kardinal aus Brandenburg
anempfahl. Auch Johann, der Herzog von Sachsen und Herzog Albrecht von
Preußen gaben Werke bei Glockendon in Auftrag, galt er doch als der
letzte große Meister der deutschen Buchmalerei.
Kardinal Albrecht von Brandenburg
Albrecht
von Brandenburg entstammte einer sehr einflussreichen Familie und
schlug früh die Laufbahn als Kirchenmann ein. Schon mit 23 Jahren wurde
er zum Erzbischof von Magdeburg berufen und war Administrator des
Bistums Halberstadt. Ein Jahr darauf wurde er Mainzer Erzbischof und
1518 gar Kardinal. Seine Liebe zu Kunst und Pracht - er schmückte seine
Residenzen mit den berühmtesten Meistern und umgab sich mit prächtigen
Schmuck - verlangte nach einer steten Geldquelle. Diese erhielt er, als
Papst Leo X. ihm das Ablaßmonopol für Deutschland zusprach - eine
Praxis, die endlich zu Luthers berühmten 95 Thesen zu Wittenberg und zur
Kirchenspaltung beitrug. Jedoch versuchte Kardinal Albrecht sogar bis
1538, den Streit zu schlichten, war er doch von großen Humanisten
beeinflusst und gar ein Freund von Erasmus von Rotterdam.
Die Kunst Glockendons
Das
Gebetbuch enthält 42 farbenprächtige Miniaturen, in denen Nikolaus
Glockendon das Leben und Werk Jesu und alttestamentliche Szenen
darstellt. Dort wird die Heilsgeschichte angedeutet und kunstvoll
illustriert. In der mittelalterlichen Welt dargestellt, erlaubt es viele
Einblicke in die damalige Zeit. In dem gut lesbaren und auf deutsch
geschriebenen Gebetbuch findet sich auch das prachtvolle und monumentale
Wappen des Mainzer Erzbischofs. Geschmückt wird die Handschrift von 62
prunkvollen Initialen, die Glockendons Mitarbeiter Georg Stierlein
kunstvoll gestaltete. Beigefügt hat Glockendon einen 1523 entstandenen
Kupferstich seines Freundes Albrecht Dürer.