Die Aratea Vaticana ist ein astronomisches Lehrbuch, das sich an dem antiken Vorbild des Textes Phainomena
des Dichters Aratos von Soloi orientiert. Ausgestattet mit 40 großen
goldgeschmückten Miniaturen erklärt es die Planeten,
Himmelserscheinungen und Wetterzeichen. Dabei wird dem Leser das
komplexe astronomische Wissen anhand mythologischer Geschichten und
Figuren nahegebracht, die von dem Buchmaler Matteo Felice kunstvoll ins
Bild übersetzt wurden. Die astronomische Prachthandschrift entstand in
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts für König Ferdinand I. von
Neapel oder seinen Sohn Johannes und ist ein wunderbares künstlerisches
und literarisches Zeugnis der Frührenaissance in Italien. Ihren barocken
Samteinband mit kostbaren Stickereien erhielt sie nachträglich im
Auftrag des Kardinals Maffeo Barberini, dem späteren Papst Urban VIII.
Höfische Astronomie aus Neapel
Die Aratea Vaticana ist nicht nur ein kunstvolles Zeugnis der italienischen Renaissance, sondern auch eine der luxuriösesten Abschriften des berühmten astronomischen Lehrgedichts von Aratos von Soloi
(ca. 310–245 v. Chr.). Ihre Pracht entspricht ganz ihrem royalen
Auftraggeber vom neapolitanischen Königshof: Das kostbare Manuskript
wurde wahrscheinlich für König Ferdinand I. von Neapel
(1424–1494) oder seinen Sohn Johannes (1456–1485) von Matteo Felice mit
40 goldgeschmückten Miniaturen und zahlreichen Zierinitialen
illuminiert.
Antike Mythen am Sternenhimmel
Aratos von Soloi verknüpfte in seiner Phainomena, die er um 370 v. Chr. verfasste, komplexe astronomische Mathematik mit anschaulichen mythologischen Geschichten.
Das erklärt wohl auch die Beliebtheit, die sich das Werk in der Antike
und das gesamte Mittelalter hindurch erfreute: Bereits in der karolingischen Renaissance wurde der Text wiederentdeckt und der italienische Humanismus bescherte ihm den Höhepunkt seiner Rezeption. Das griechische Lehrgedicht wurde außerdem mehrfach ins Lateinische übersetzt. Die Aratea Vaticana enthält die lateinische Prosa-Version des Germanicus (15 v. Chr. – 19 n. Chr.), die in der prachtvollen Sammelhandschrift durch Plinius‘ (23/24–79 n. Chr.) Naturalis historia und Hyginus‘ (1. oder 2. Jahrhundert n. Chr.) De Astronomia ergänzt wird.
Strahlende Farben und opulenter Goldschmuck
Die Handschrift beginnt mit der Aratea, die von einer wunderschönen Zierseite eingeleitet wird. Der Beginn des Textes ist von einer breiten goldgeschmückten Bordüre aus zeittypischem Weißranken-Ornament umgeben, in dem sich Putti und Tiere tummeln. Auf fol. 3r folgt die wohl bekannteste Miniatur der Handschrift: Die Planisphäre. Diese eindrückliche runde Darstellung des Firmaments zeigt sämtliche Sternbilder in kräftigen Farben. Die restlichen 39 Miniaturen zeigen die von der griechischen und römischen Mythologie inspirierten Sternbilder und Himmelserscheinungen meist einzeln und in prächtigen goldenen Rahmen und vor himmlischem Hintergrund, während die einzelnen Sterne in Rot und Gold erstrahlen. Sie leiten die jeweiligen Abschnitte des Textes visuell ein. Den Schriftsatz selbst – meisterlich geschrieben in humanistischer Minuskelschrift – schmücken und gliedern zudem 60 goldene Feldinitialen.
Ein Samteinband für den späteren Barberini-Papst
Als die astronomische Prachthandschrift im 16. Jahrhundert in die Hände von einem der größten Kunstmäzene des barocken Roms, Maffeo Barberini (1568–1644), dem späteren Papst Urban VIII., gelangte, veranlasste dieser ihre Neubindung. Das Manuskript erhielt einen reich bestickten roten Samteinband, der auf der Rückseite das Barberini-Wappen trägt. Die Vorderseite zeigt den Heiligen Thomas kniend vor Maria mit Christuskind, die als Mondsichelmadonna
erscheint. Die mit diesem wunderschönen Einband aufgewertete
Handschrift verleibte Papst Leo XIII. 1901 zusammen mit der gesamten
Barberini-Sammlung der Biblioteca Apostolica Vaticana ein, wo sie noch heute unter der Signatur Barb. lat. 76 verwahrt wird.