Im
Bestiarium von Peterborough, einer liebevoll bebilderten Tierlehre,
werden sowohl heimische als auch exotische Tiere und sogar Fabelwesen
wie Einhorn und Phönix eingehend beschrieben, gemalt und christologisch
gedeutet. In über 100 Miniaturen über den gesamten Text verteilt zeigt
der Buchmaler sein Können bei der möglichst realistischen Darstellung
von Tieren, die er oft selbst noch nie gesehen hatte. Dabei wird zudem
auf die prachtvolle Ausgestaltung der Handschrift mit Gold und
leuchtenden Farben für Miniaturen, Initialen und Rankenwerk Wert gelegt.
Bestiarium aus Peterborough
Das Bestiarium aus Peterborough stellt ein eindrucksvolles Beispiel für die seit dem 12. Jahrhundert sehr beliebten Tierdichtungs-Handschriften
dar. Der beschreibende und interpretierende Text wird mit unzähligen
kleineren Bildfeldern illustriert und mit wunderschönen Initialen und
Blattranken geschmückt. Dabei sind sowohl heimische als auch exotische
Tiere und Fabelwesen aufgeführt, die liebevoll und so realitätsnah wie
möglich gezeigt werden.
Liebe- und phantasievoll bebilderte Tierlehre
In über 100 Miniaturen auf Goldgrund oder im Goldrahmen finden sich über das ganze Buch verteilt Tiere wie Löwe, Biber, die verschiedensten Vögel, Krokodil, Elefant, aber auch Fabelwesen
wie Einhorn, Phönix und Satyr. Sie illustrieren die zugehörigen
Textpassagen, in denen jedes einzelne Tier eingehend beschrieben und
meist auch christologisch und moralisch gedeutet wird. So wird die Krähe
als Beispiel für die Morallehre über die Liebe zu und Sorge um Kinder
genannt.
Der Text geht zurück auf den um 200 n. Chr. verfassten sogenannten „Physiologus“,
eine Schrift, die sich mit Naturkunde beschäftigt. Diese wurde über die
folgenden Jahrhunderte hinweg vielfach erweitert und ergänzt
(beispielsweise durch Isidor von Sevillas „Etymologiae“
im 7. Jahrhundert), in viele Sprachen übersetzt und dadurch
zwangsläufig auch verändert. Bis ins hohe Mittelalter hinein blieben
solche Naturbeschreibungen ein beliebtes Sujet und
boten den Buchmalern die Gelegenheit, sich in der möglichst
realistischen Darstellung der Tierwelt zu ergehen.
Prachtvolle künstlerische Ausgestaltung
Für die Künstler war das nicht immer ein einfacher Auftrag, hatten sie doch viele der exotischen Tiere
noch nie wirklich gesehen. Als Vorlagen konnten ihnen nur
Beschreibungen anderer dienen, die selbst oftmals ins Phantastische
drifteten. Der Buchmaler des Bestiariums aus Peterborough gestaltete die
Handschrift auf sehr abwechslungsreiche Weise. Die Tierdarstellungen sind direkt in den Text integriert
und nicht in einer eigenen Bildhälfte zusammengefasst. Die kleinen
rechteckigen Felder sind bunt gestaltet und reichlich mit Gold
geschmückt. Der künstlerische Stil erscheint sehr gotisch in der natürlicheren Gestaltung der Tiere, die häufig in Bewegung dargestellt sind.
Neben den Tierdarstellungen begeistert aber auch die sonstige
künstlerische Gestaltung des Bestiariums. Viele Initialen schmücken den
Text neben ausgreifenden floralem Rankwerk. Die Initialen sind zum Teil mit wunderschönen männlichen oder weiblichen Porträts gefüllt, zum Teil ornamental gestaltet.
Exotischer Zauber und lehrreiche Lektüre
In
diese prächtigen Bilder konnte sich der Leser versenken und durch das
Studium der informativen und gleichzeitig sehr unterhaltsamen Lektüre
exotische Gefilde kennenlernen, die er noch nie zu Gesicht bekommen
hatte und wohl auch nie sehen würde. Diesem Umstand des Exotischen und
Unbekannten ist es wohl auch zu verdanken, dass Fabelwesen wie das
Einhorn oder der Satyr neben den bekannten Tieren aufgelistet werden.
Dass solche Bestiarien besonders in England und Nordfrankreich sowohl für geistliche als auch weltliche Auftraggeber gefertigt wurden, bezeugt ihren Unterhaltungs- als auch Bildungswert,
der noch heute - trotz der fortgeschrittenen wissenschaftlichen
Erkenntnisse - seinen Zauber auf den Leser und Betrachter ausstrahlt.